Episode 67: Indianischer Krieg und Frieden (Dezember 2007)
Da irgendwer im Mittelalter dem weißen Mann den himmlischen Auftrag
erteilt haben muss, in alle („neu entdeckten“) Länder einzufallen, um den
wilden Eingeborenen über den gerechten Krieg christlichen Frieden mit
einem bestimmten Gott und der unsozialen Marktwirtschaft zu bringen, war’s
auch im erhofften Indien mit der präkolumbischen Ruhe und dem
philosophischen Geschwafel der Rothäute schnell vorbei – denn der
Kapitalismus benötigt zum Funktionieren nun einmal Krieg, Privatisierung,
(Kultur-)Zerstörung, Ausgrenzung, (Rohstoff-)Ausbeutung, Vertreibung und
Versklavung. Und welchen Eroberer, Manager und Kriegsherren stört es da
schon, dass man angeblich später Geld nicht essen kann, solange man mit
Geld (noch) alles kaufen kann!?
Nicht in Tolstois Russland, sondern bereits in Kolumbus’
Indien spielt also die koloniale Marschmusik: Mit dem
Eroberungsstartschuss um 1500 unterwarfen zunächst die spanischen und
portugiesischen Konquistadoren als „Weiße Götter“ die Indios und
begründeten in Mittel- und Südamerika den Genozid. Ab Anfang des 17.
Jahrhunderts widmeten sich dann, neben Spaniern, Holländern und Franzosen,
insbesondere die (später abtrünnigen) Neuengländer gründlich und
nachhaltig den im Norden des Kontinents ansässigen – und später
aufsässigen – Ureinwohnern. Erst war also Montezuma dran, der sich
noch grauenhaft rächen sollte, dann kam der letzte Mohikaner an die Reihe
[vgl. Episode 32], der anscheinend nicht derart nachtragend war.
In Nordamerika hat man auf den südlichen Erfahrungen und Methoden
aufgebaut, beim Expandieren nach Westen den Ureinwohnern lediglich kurz
mitgeteilt, dass sie fortan Indianer heißen und nicht mehr Manitu
und die Natur, sondern Gott und den Kapitalismus anzubeten hätten
– und sie fix versklavt, vertrieben und/oder beraubt. Stämme, die weniger
Glück hatten, wurden ausgerottet und sei es durch eingeschleppte Seuchen;
Pocken, Masern, Grippe waren die ersten B-Waffen der aufstrebenden
US-Supermacht, die tatsächlich für die gerne behauptete Menschenleere des
Kontinents sorgten.
Da die (Neue) Welt schlecht ist und der (rothäutige) Mensch noch
schlechter, hat sich manch undankbarer Primitiver die Befreiung von Land,
Freiheit und Zukunft einfach nicht gefallen lassen, wollte noch nicht
einmal seinen Landstrich in einem ehrlichen Geschäft für ein paar
Glasperlen und eine Pulle Feuerwasser hergeben – und wurde deshalb zum
Terroristen (erklärt). …
…
…
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(Kindle-Ausgabe)
Versionsgeschichte:
Erstveröffentlichung im GAllI-Allgemeinbildungsmagazin Nr. 69 / Dezember
2007, S. 28 ff.
Durchgesehene, von Illustrationen und Fußnoten befreite E-Book-Fassung vom
11.02.2013 (cboth1207ep67v0).