Episode 61: Absonderliches Unwetter (Oktober 2006)
Manchmal kommt es zu Fehldeutungen natürlicher Ereignisse; so haben etwa
wir Germanen lange Zeit die komplementären Naturgüter Blitz und Donner
unserem Gott Donner (Donar/Thor) zugeschrieben, der
schon damals eigentlich hätte „Blitzer“ heißen müssen, da der Donner
lediglich Folge des Blitzes ist. Nicht nur aufgrund unserer
(fortgesetzten) wissenschaftlichen Ignoranz konnte sich der geschwinde
Blitz und das lautstarke Gewittergeräusch unbemerkt in so manche Redensart
und gar (sanitäre) Fachbezeichnung einschleichen.
Ein diesbezüglicher Spezialfall, im wahrsten Sinne des Wortes, verbirgt
sich hinter folgendem sprachlichen Donnereinsatz: Großes Erstaunen kann
man neben der direkten Erwähnung von Donner und Blitz [vgl. Episode
58] auch über den fossilen Umweg verdeutlichen: Donnerkeil!
(<niederdt.> Donnerkiel!), ruft man dann, und weiß hoffentlich,
welche schöne vorwissenschaftliche Anekdote, welches prähistorische
Werkzeug und welches Bruchstück eines Fossils sich hinter diesem Terminus
verbirgt, der zuweilen gleichermaßen zum Fluchen verwendet wird: „Ja,
aber zum Donnerkeil ... sind Sie denn verrückt?“ – fragt (sich nicht
nur) Dickkopp beim „Hausfriedensbruch“ im „Mümmelmann“ (1909) von
Hermann Löns (1866-1914).
Zunächst glaubten nicht nur die verrückten Germanen tatsächlich an einen
Fall bzw. Schuss vom Himmel, an Überbleibsel einer Götterschlacht: Die
auffindbaren harten, an einem Ende angespitzten Bolzen sahen tatsächlich
wie Geschosse aus, kamen einem Projektil unglaublich nahe – und das ist
schon verwunderlich, denn Feuerwaffen waren noch gar nicht erfunden! …
…
…
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Versionsgeschichte:
Erstveröffentlichung im GAllI-Allgemeinbildungsmagazin Nr. 63 / Oktober
2006, S. 36 ff.
Durchgesehene, von Illustrationen und Fußnoten befreite E-Book-Fassung vom
27.02.2013 (cboth1006ep61v1).